Freitag, 30. Mai 2008

Im Tal der Tempel

Sonntag, 18.05.2008



Da bin ich nun schon in Agrigento - was gibt es nicht alles zu sehen! Gestern war ich in Siracusa - total beeindruckend, ein paar Bilder folgen gleich. Dann gab es eine lange Autofahrt durch das südwestliche Sizilien nach Agrigento. Die in der Karte verzeichnete Autostrada gab es noch nicht, so dass die Fahrzeit etwas länger wurde. War aber Tolles zu sehen im Vorbeifahren: Ragusa und vor allem das malerisch gelegene Modica, die Küste ist dort weniger attraktiv. Bilder gibts von der Fahrt keine, da ich mir keine Fotostopps erlaubte: Sonst wäre ich erst nachts in A. angekommen!

Hier gibt es nun gleich viele Tempel zu sehen, hab sie schon gestern im Abendlicht bewundert. Ich denke, heute gibt es später noch einen längeren Bericht.




Agrigento am Morgen


- abends -

Agrigento. 15:30 Uhr. In der Sonne ist es so heiß (im Schatten allerdings nur 26°), dass man ab 14 Uhr besser drin sein sollte. Nur dumme Touristen wie ich latschen dann noch durch die Straßen der Altstadt von Agrigento, ansonsten ist es ausgestorben. Ich glaube, nachts um 2 Uhr ist hier auf den Straßen mehr los als mittags um 2: Siesta, Ruhe, Pause. Streunende Katzen und Hunde verlassen den Schatten nicht, wenn man vorbeikommt. Aus den Häusern in den engen, steilen Gassen (A. liegt auf einem hohen Felsrücken) dringen unterschiedliche Laute: muntere Pop-Musik der Jugend, dann sehr ruhige Melodien, passend zu früh-nachmittäglichen Liebesspielen (Sonntag!); etwas weiter oben rennt eine junge Frau laut schreiend aus dem Haus: "Papa, Papa!" höre ich immer. Ihren Ehemann hört man im Hintergrund schimpfen und schreien, vielleicht hat er sie auch nur ein bisschen verprügelt, und sie will nun zu Papa, überlegt es sich aber und kehrt ins Haus zurück, wo das Gezeter weitergeht. Ich gehe auch weiter; es ist also das ganz normale Leben, was man da zwischen den engen Häusern mitbekommt!




Altstadt auf dem Berge


Die Altstadt oben auf dem Felsen ist durchaus interessant, aber an Siracusa, Modica oder Catania kommt das nicht heran. Immerhin hat die Kirche etwas von den Heiden gelernt: Man muss den höchsten Punkt besetzen, höher als die Tempel auf dem Nachbarhügel: Ganz oben in der Altstadt auf dem höchsten Punkt thront der Dom.

Stichwort Tempel: derentwegen kommt man ja nach Agrigento: zum Valle dei Templi. Das ist wirklich imposant und "hat was". Drei große Tempelbauten stehen dort bzw. die Reste davon: der Herkules-Tempel, fast nur noch Ruinen, der Concordia-Tempel, weitestgehend erhalten / aufgebaut; der Tempel der Göttlichen Juno / Hera. Sie liegen wie Perlen auf der Schnur entlang eines Höhenrückens - von wegen "valle": Hügel! Sie stammen aus dorischer Zeit, also aus dem 6. - 4. Jhdt. vor Chr. Sehr imposante Ruinen, denn das sind es natürlich, auch wenn man einiges wieder aufgebaut hat. Früher stand man der Vergänglichkeit etwas gelassener und vor allem praktischer gegenüber: Viele der Tempelsteine wurden im Mittelalter und später beim Ausbau des Hafens verwandt, und sind daher, wie man heute sagt, "unrettbar verloren". Als ob nicht alles einmal verloren und vergangen ist, wir inklusive. Als ich vom Berg der Tempel mich umschaute, fielen mir die vielen neuen Verkehrskreisel auf, die man entlang den Umgehungsstraßen um Agrigento findet. Spätere Generationen werden dann vielleicht von uns Heutigen als Besonderheit sagen: Sie konnten schon Kreisverkehre bauen; man erkennt es deutlich an den komischen Eiern in der Landschaft... :-)




Tempel des Herakles


Da ist die Hinterlassenschaft der Griechen, dann der Römer, die dazwischen natürlich auch noch ihre Tempel und Totenstädte gebaut haben, und der Byzantiner schon sehr viel eindrucksvoller. Die Kostbarkeiten, die man allenthalben gefunden hat und noch findet (halb A. besteht aus aktuellen Ausgrabungsstätten), sind im neu angelegten Museo archeologico sehr informativ zu besichtigen. Ich kann euch jetzt einen kleinen Vortrag über Einzelheiten dort halten, denn ich habe sie alle in englisch, französisch, deutsch und italienisch erläutert bekommen. Es war also besonders im Museum nicht ganz leicht, zwischen den Tourbus-Trupps und ihren lautstarken Guides durchzukommen. Ich war nur froh, dass ich da nicht wie all die Tour-Schafe geduldig stehen und alles anhören und über mich ergehen lassen musste: mit einigen "excuse me", das ja klingt wie "sciusi", und "pardon" kam ich dann irgendwie durch. Anfangs habe ich für einige Sekunden die Tour-Touristen beneidet: Nach dem Frühstück nichts weiter nachzudenken und planen zu müssen, sondern einfach der Reiseleitung hinterherlaufen, Ticket fertig in Empfang nehmen, sich natürlich nicht um die Anfahrt und die Parkplätze kümmern zu müssen und weitere solche Kleinigkeiten. Das muss ich ja alles selber für mich organisieren. Aber als die Hammelherde dann immer in Trupps zusammenstehen und ermüdet den Guides lauschen sah, da wusste ich wieder definitiv: Ich hatte die bessere Wahl getroffen. Ein weiterer Vorteil war, dass ich lang vor den Touris im schattigen und sehr luftigen Pinien-Café des Museums draußen mich in aller Ruhe erquicken konnte mit Café und Hörnchen: Als die Massen kamen, war ich schon wieder weg!

Mich haben viele Details sowohl der gewaltigen und großzügigen Tempelanlagen als auch der im Museum ausgestellten Artikel beeindruckt. Die Tempel und ihr Kult waren ja Teil des Alltages der Menschen vor 2500 Jahren; sie habe dort gehofft, gebetet, gefeiert, geopfert, gehurt, gesoffen und gelitten. Aber es war ihr Leben. Das Schönste war da gerade gut genug für die Götter und ihre "Diener" auf Erden: die Vasen, Schalen und Reliefs in feinster künstlerischer Ausfertigung, fantastisch. So etwas aus Stein und Alabaster kann heute keiner mehr anfertigen. Ich stand vor einem römischen Kindersarkophag aus Marmor um die Zeitenwende herum. Umlaufend um den Steinsarg war die Abschiedsszene dargestellt: die weinenden Eltern und Geschwister um den auf einem Sofa aufgebarten vielleicht 13 jährigen Kinderleichnam; daneben die Lehrer und Mitschüler (wie der Text erläuterte), an den Seiten die Geburt, Waschung und Namensgebung des verstorbenen Kindes. Natürlich konnte das nur reicher Leute Kind sein. Aber das menschliche Leid, was dort zum Ausdruck kam und künstlerisch vollendet festgehalten war, das übergreift Arm und Reich und überdauert die Zeiten: Die Menschen damals sind uns existentiell völlig gleich - das wurde mir sehr eindrücklich bewusst. Eigentlich ist der Unterschied der Zeiten gar nicht so gravierend. Ok - SIE bauten Tempel, WIR Kreisverkehre...




Tempel der Juno



Der hiesige Philosoph, über den es hier viel zu lesen gibt, ist übrigens Empedokles; Näheres in der Wikipedia. Ihm zu Ehren heißt der benachbarte uninteressante Industriehafen Porto Empedocle. Es gibt zum Teil schon merkwürdige Namensgebungen...

Ich hoffe, die Bilder vermitteln einen weiteren Eindruck vom wirklich schönen Agrigento! Ich gehe nachher aber nur noch an den Strand von San Leon, dem Stadtteil am Meer, in dem mein Hotel liegt. Es liegt sehr günstig und ist durchaus in Ordnung: nicht exklusiv, aber sehr sauber und ordentlich und vor allem freundlich! also auch weder empfehlenswert, zudem preiswert. Morgen geht es dann gleich weiter zum westlichsten Zipfel Siziliens, nach Trapani und den berühmten Salinen!

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